Die „Schiffer-Fenster“ in St. Georg

Zur Vorstellung der von dem international bekannten Glasmaler und Künstler Herb Schiffer (Vita siehe am Ende des Beitrages) gestalteten Kirchenfenster – eingebaut im Rahmen der Renovierung und Neuausstattung in den Jahren 1986 bis 1989 – unternehmen wir einen Rundgang durch St. Georg, der im Altarraum beginnt.

Der Altar, die Sakramentsstele und die drei Fenster im Altarraum stehen in einem thematischen Bezug. In den Bildern und Symbolen der künstlerischen Ausgestaltung soll an die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus, an den Erlösungstod und die Auferstehung sowie an den Glauben an das Wiederkommen des Herrn am jüngsten Tag erinnert werden. Diese Geheimnisse des Glaubens werden in der Eucharistie, dem Altarsakrament, immer wieder auch von der ganzen Gemeinde ausgesprochen, wenn sie auf den Ruf des Priesters oder Diakons: „Geheimnis des Glaubens!“ die Antwort gibt: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit!“

Fenster 1: „Taufe Jesu im Jordan“

(Ostseite, vorne links)

Theologischer Inhalt:

In Jesus von Nazareth ist Gott Mensch geworden. Von Johannes d. T. hat sich Jesus taufen lassen. Sich dieser Johannestaufe zu unterziehen bedeutete, ein Bekenntnis dazu abzulegen, dass jeder Mensch die Erlösung durch Gott braucht. Dass Jesus sich auch taufen lässt bedeutet, dass auch er die Erlösungsbedürftigkeit der Menschen bekennt. Er aber wird bei dieser Taufe mit dem Heiligen Geist gesalbt: D. h. Gott gibt ihm den Auftrag und die Vollmacht, den Menschen die Erlösung zu bringen.

Die Darstellung zeigt:

Jesus und der Täufer stehen im Jordan. Dass dieses Wasser Leben für die Menschen bedeutet, wird durch die grünen Pflanzen angedeutet. Auch die Erde im Vordergrund des Bildes wird vom Jordanwasser getränkt. Leben aber kommt allein von Gott. Auch das ist in der Bildsprache gesagt. In der Spitze des Fensters befindet sich das Auge, das Symbol Gottes. Von ihm aus senkten sich die Hände Gottes – Symbole seines Schöpfer- und Erlöserhandelns – auf das Weltall herab, das durch Sonne und Mond angedeutet ist. Gottes Handeln aber geschieht im Heiligen Geist, der in der Gestalt der Taube erscheint und sich nach unten auf die Welt senkt. Gott handelt nicht selbst, sondern handelt durch Boten (Angelus = Bote, Botschafter). Die beiden Engelköpfe deuten darauf hin. Der eigentliche Bote Gottes ist aber Jesus von Nazareth, der im Johannesevangelium ja auch „das Wort“ genannt wird (Joh 1,1).

Fenster 2: „Auferstehung Jesu“

(Ostseite, vorne rechts)

Theologischer Inhalt:

Die Auferstehung Jesu ist der Grund aller christlichen Hoffnung auf die eigene Auferstehung. Dabei darf Auferstehung nicht missverstanden werden als eine Rückkehr in ein neues, vielleicht anderes und besseres irdisches Leben; aber auch nicht nur als ein Weiterleben der menschlichen Seele. Ohne den Leib sind wir Menschen christlich nicht zu denken. Wie man sich allerdings den auferstandenen Christus und die auferstandenen Christen vorstellen soll, das ist nur bildlich zu sagen.

Die Darstellung zeigt:

Der Auferstandene (zum Himmel Auffahrende) ist mit segnenden Händen dargestellt. Dass ihn sein Weg in die Herrlichkeit Gottes führt, ist angedeutet durch geflügelte Engelsköpfe, die man als Cherubim deuten kann. Auch der gelbe Kreis in der Spitze des Fensters mag auf die Vollkommenheit Gottes hinweisen. Die Botschaft von der Auferstehung kann nur als Offenbahrung Gottes angenommen werden. Deshalb erscheinen auch am leeren Grab, als welches man das dunkel ausgefüllte Rechteck in den beiden unteren Feldern des Fensters deuten kann, vier Engel (d. h. Boten) Gottes. Dass am Grab Christi Blumen blühen, zeigt an, dass von diesem Grab nicht der dumpfe Geruch von Moder und Tod ausgeht, sondern der Duft des Lebens.

Fenster 3: „Vollendung der Welt am jüngsten Tag“

(Südseite)

Theologischer Inhalt:

Der Christliche Glaube denkt nicht an ein Ende der Welt, nachdem es dann einfach nichts mehr gibt, weil alles zu existieren aufgehört hat, sondern an eine Vollendung der Welt durch Gott. Die Christusgläubigen erwarten diese Vollendung bei der Wiederkunft Christi zum Gericht. Dabei ist dieses Gericht weniger verstanden als ein Strafgericht über die Bösen und ihre Untaten und Sünden als das Ausrichten nach dem Willen Gottes.

Die Darstellung zeigt:

In der Mitte des Fensters ist Christus dargestellt, der das Buch mit den sieben Siegeln (Offb 5,1) in der Hand hat. Ihn umgeben wieder die Engel als Boten Gottes. Zwei von ihnen kann man wieder als Botenengel deuten, zwei von ihnen, wegen der roten Flügel, als Engel des Gerichtes, das in großer Liebe zur Welt geschieht. (Rot ist bekanntlich die Farbe der Liebe!) Christus kommt auf den Wolken des Himmels, welche die Erde bedecken. Die im Kreis um die Erde angedeuteten anderen Sterne sollen andeuten, dass die Vollendung der Welt ein kosmisches Geschehen ist, das nicht allein die Erde betrifft, sondern das ganze Weltall. lm oberen Teil des Fensters finden wir die Symbole der vier Evangelisten: den Adler für Johannes, den Löwen für Markus, den Menschen (oder Engel) für Matthäus, den Stier für Lukas. Wenn die Weit vollendet wird, dann wird sie so gestaltet, wie es Jesus Christus in den Evangelien angesagt hat. Der Maßstab für das Urteil, ob die Welt Gottes Willen entspricht, ist eben das Wort Gottes, wie es sich in den Evangelien findet. ln der Spitze des Fensters findet sich erneut das (große) Auge als Symbol Gottes, in dessen Namen die Welt vollendet und gerichtet wird.

 

Den Rundgang setzen wir vom Altarraum ausgehend entlang der Südseite des Kirchenschiffes (in Richtung des Südausgangs) fort.

Der Grundgedanke des hier verwirklichten Fensterzyklus ist folgender: Vor dem Krieg waren in den Fenstern die Seligpreisungen der Bergpredigt dargestellt. Dies ist wieder geschehen. Jede der Heiligengestalten ist einer bestimmten Seligpreisung zugeordnet, weil sie so gelebt hat, dass gerade die ihr in diesem Fensterzyklus zugeordnete Seligpreisung in ihrer Biographie anschaulich wird.

Fenster 4: „Hl. Franz von Assisi“

(Südseite vorne)

Theologischer Inhalt:

„Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich.“ (Mt 5, 3)

Es gibt sicher keinen allgemein bekannten Heiligen, an den man sich im Zusammenhang mit dieser Seligpreisung eher erinnerte als den hl. Franz von Assisi (* 1181/82, + 03.10.1226). Die Bekehrung des hl. Franz stand ganz unter dem Eindruck einer Gotteserfahrung, in deren beherrschender Mitte die Glaubenstatsache stand, dass Gott der Menschen wegen arm und machtlos wurde. Gott wird Mensch, das kann man nach Franz von Assisi auch dadurch ausdrücken, dass man sagt: „Gott wird arm und machtlos.“ Darum stand in seinem Leben auch die Verehrung des armen Christus und des Gekreuzigten im Mittelpunkt seiner Frömmigkeit. Nur von diesem Ansatz aus, der Menschwerdung Gottes, ist die Schöpfungsfrömmigkeit des hl. Franz richtig einzuordnen. Weil in Jesus von Nazareth Gott Mensch geworden ist, gehört er durch diesen Jesus auch ganz zur Schöpfung und in diese Schöpfung hinein. Die Schöpfung ist heilig, weil in ihr Gott gegenwärtig und daher erkennbar ist. Von hier aus erkennt Franz die Aufgabe des Menschen, die Schöpfung zu bewahren und zu behüten (vgl. Gen 2, 15). Vom Blick auf das Dienen Christi an der Welt her kann auch Franz das Verhältnis zur Schöpfung viel leichter als einen Dienst begreifen; der Gedanke an ein Herrschen über die Welt liegt ihm viel ferner. Wenn der Mensch den Willen des Schöpfers erfüllt, hat er Frieden mit der Schöpfung (wir würden heute säkularisiert sagen: mit der Umwelt). Die Schöpfungsfrömmigkeit des hl. Franz hat also christologische, nicht ökologische Wurzeln.

Die Darstellung zeigt:

ln der Mitte des Bildes steht der hl. Franz im Ordensgewand der Franziskaner. In der Hand hält er eine Schriftrolle mit der Aufschrift: Pax huic domui (übersetzt: Friede diesem Hause). Mit diesem Haus kann sowohl die ganze Schöpfung wie auch die Kirche als das Haus Gottes gemeint sein. Darauf deuten Sonne und Mond und das Kirchengebäude hin, die über der Figur des hl. Franz dargestellt sind. Das Kirchengebäude erinnert an die Legende, dass Franz in einer Vision den Auftrag erhielt, sich um die Wiederherstellung der „verfallenen Kirche“ zu kümmern. Das hat er getan, indem er einen wesentlichen Beitrag zur Bewältigung des zu seiner Zeit in der Kirche tobenden „Armutsstreites“ geleistet hat. Sonne und Mond, die Vögel und die Pflanzen weisen auf die Schöpfungsfrömmigkeit des hl. Franz hin. Und diese ist (vgl. auch oben) christologisch verwurzelt.

Fenster 5: „Hl. Thomas Morus“

(Südseite Mitte)

Theologischer Inhalt:

„Selig die Trauernden, denn sie werden getröstet werden.“ (Mt 5, 4)

Es erscheint auf den ersten Blick widersinnig zu sein, den hl. Thomas Morus (* 07.02.1478, + 06.07.1535), der einen unverwüstlichen Humor besaß, gerade der Seligpreisung der Trauernden zuzuordnen. Dies ist es jedoch nicht. Wer trauert, der nimmt endgültig Abschied von etwas, das er liebt, weil es entweder genommen wird oder her gegeben werden muss. Dass Jesus nun gerade die Trauernden „selig“ nennt, das ist nur möglich, weil Gott von niemand einen Abschied verlangt, der nicht gleichzeitig der Anfang von etwas Größerem ist, als es das Verlorene war. Man könnte sagen, diese Seligpreisung gelte allen Menschen, die hoffen gegen alle Hoffnung. Wenn man das bedenkt, erkennt man, dass gerade Thomas Morus diese Seligpreisung Jesu an sich erfahren konnte. Für Thomas Morus galt es, auf der Höhe seines Lebens Abschied zu nehmen von seiner geliebten Tochter Elisabeth, von seiner Familie, seiner hohen Stellung als Lordkanzler Heinrichs VIII., von seinem Vermögen, von der Achtung seiner Mitmenschen und sich in ein ungerechtes Todesurteil zu fügen. Wir bewundern an ihm, wie ihn auch in dieser schlimmen Situation sein Humor nicht verließ, weil er die Hoffnung auf Gott nicht verlor.

Die Darstellung zeigt:

Thomas Morus wird in der unteren Fensterhälfte sitzend dargestellt. Über ihm auf dem Thron sitzt Heinrich VIII., der ihn hinrichten ließ. Die grüne Farbe seines Gewandes weist auf die Kraft zu hoffen hin, die ihn nie verlassen hat. Damit wird der Bezug zur zweiten Seligpreisung hergestellt. Über Heinrich VIII. das Schwert als Hinweis auf die Todesart des Heiligen. In seiner Hand trägt Thomas ein Buch als Hinweis auf seine reiche literarische Tätigkeit als Humanist. Die Aufschrift darauf ist doppeldeutig. „liber“ bedeutet sowohl „Buch“, insbesondere das „Rechtsbuch“, wie auch „frei“. Beides ergibt für Thomas Morus einen guten Sinn: Er war Verteidiger des Rechtes im Streit um die Frage, wer Oberhaupt der englischen Kirche sei; er war aber auch innerlich so frei, dass ihn keine Gewalt dazu bringen konnte gegen den Spruch seines Gewissens zu handeln.

Fenster 6: „Hl. Albert der Große“

(Südseite Mitte)

Theologischer Inhalt:

„Selig, die keine Gewalt anwenden; denn sie werden das Land erben.“ (Mt 5, 5)

Statt der Übersetzung „die keine Gewalt anwenden“ könnte man auch sagen „die Milden / die Freundlichen“. Es geht um die Zukunft der Welt insgesamt, denn das bedeutet hier wohl „das Land“. Diese Zukunft wird nach der Verheißung Jesu nicht von denen bestimmt werden, die herrisch oder gar gewalttätig handeln. Sie wird gestaltet von denen, die sich den Menschen zuwenden können, weil sie sich selbst und ihre Interessen zurückstellen können. Ihre Sorge ist es, dass Menschen miteinander und nicht gegeneinander leben.

Die Darstellung zeigt:

Der hl. Albert von Köln (* ca. 1200, + 15.11.1280) ist – traditionell – als Dominikaner an einem Schreibpult mit der Feder in der Hand dargestellt. Die Feder weist ihn als großen Theologen und Schriftsteller aus, der die Fülle des Wissens seiner Zeit beherrschte. Der Engel oben im Bild trägt die Mitra in der Hand, die liturgische Kopfbedeckung des Bischofs. Das weist darauf hin, dass Albert 1260 - 1262 das Amt des Bischofs von Regensburg innehatte. Er ist deswegen nicht im Ornat eines Bischofs dargestellt, weil er dieses Amt, das damals immerhin die Stellung eines Reichsfürsten mit sich brachte, nur solange ausgeübt hat, bis er die zerrütteten Verhältnisse im Bistum Regensburg geordnet hatte. Verzicht auf Macht war ein Wesensmerkmal seines Handelns. Das bedeutet aber nicht einen Mangel an Autorität, die ja nicht mit Machtausübung verwechselt werden darf. Diese Autorität hat er mehrmals als Schiedsrichter zwischen der Stadt Köln und ihrem Bischof durch Schiedssprüche zur Geltung gebracht und dadurch viel Blutvergießen verhindert. Die Blumen im Bild sind Hinweis auf diesen Dienst am Leben der Menschen.

Fenster 7: „Hl. Ursula“

(Südseite hinten)

Theologischer Inhalt:

„Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden satt werden.“ (Mt 5, 6)

In dieser Seligpreisung geht es um die größere Zukunft des Reiches Gottes, das vom Frieden und der Gerechtigkeit Gottes nicht getrennt werden kann. Dieser Hunger und Durst auf Gerechtigkeit und Zukunft wird bei der hl. Ursula (Märtyrerin mit Gefährtinnen in Köln; belegt durch die Clematius-Inschrift in der Kirche St. Ursula aus dem 4./5. Jahrhundert; der Name ist legendär) vor allem im Symbol des Schiffes dargestellt. A. Rosenberg schreibt zu diesem Symbol (Einführung in das Symbolverständnis, S. 134): „Es gehörte zu den kühnsten Taten des Menschen, als er sich in früher Zeit von der Erde löste, um auf schwankenden Brettern das Meer zu befahren. … Damit aber fuhr der Mensch gleichsam sich selbst voraus – die ihm bisher verborgene Zukunft tat sich ihm auf. Die Antriebskraft des Schiffes war die Sehnsucht, in der Ferne das Wunderbare zu entdecken, war die Hoffnung auf das Erlangen der Freiheit des größeren Lebens. Doch der Preis hierfür war der Einsatz des eigenen Lebens, das wagemutige Spiel mit dem Tode. … So wurde das Schiff zum Ursymbol der von Wagemut genährten Hoffnung, einzig den Wasserabgrund unter, den Gott, der seine Sonne über Gerechte und Ungerechte scheinen lässt, als Windvater über sich.“ Vielleicht war dieser Hintergrund auch der Anlass dafür, dass Angela Merici, die Gründerin des Ursulinenordens sie zur Schutzpatronin ihres Erziehungswerkes erklärte. Es ging damals ja darum, Menschen mit besonders geringen Aussichten (der Mädchenjugend der Unterschicht) Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, ihr Lebensrecht zu verwirklichen.

Die Darstellung zeigt:

Die hl. Ursula kniet vor einer Kirche. Ihre Hände haben die Haltung von gebundenen Händen, obwohl die Fesseln nicht zu sehen sind. Darin wird das Ausgeliefertsein angedeutet. Zu ihren Füßen befinden sich geflügelte Engelsköpfe, von denen Flammen ausgehen. Das erinnert an die 11 Flammen im Kölner Stadtwappen, die ein Symbol für Ursula und ihre Gefährtinnen sind. Vom untersten Feld des Fensters wachsen Pflanzen nach oben, die Ursula einrahmen. Sie sind als Symbole des Lebens zu verstehen, das durch die Gerechtigkeit möglich gemacht wird. Über den Kirchturmspitzen schwebt, schon fast nach oben getragen, das Ursulaschiff mit ihren Gefährtinnen. Es erinnert durch die Drachenköpfe an Bug und Heck an ein Wikingerschiff und die Herkunft der hl. Ursula aus dem europäischen Norden (England). Zur Gerechtigkeit sind die Menschen immer noch unterwegs.

 

Wenn wir den Rundgang fortsetzen und am Nebeneingang der Südseite vorbei zum Haupteingang hinüber gehen, sehen wir links des Windfangs eine Nische in der Westseite des Kirchenschiffes mit dem „Maria-Hilf-Altar“. Das dort erkennbare Fenster gehört – da es vom Format her ganz aus der Reihe fällt – indes nicht in den Fensterzyklus der „Acht Seligkeiten“.

Fenster 8: „Mutter Anna Selbdritt“

(Westseite, Nische)

Die Darstellung zeigt:

Die hl. Anna, Mutter der Gottesmutter, mit ihrer Tochter Maria und ihrem Enkel Jesus. Diese Art der Darstellung kam im 13. Jahrhundert auf, als der Glaube an die unbefleckte Empfängnis der Gottesmutter allgemeine Anerkennung fand. Sie war beliebt, um die fürsorgliche Mütterlichkeit anschaulich zu machen. Insofern passt die Darstellung ausgezeichnet in die Nähe des „Maria-Hilf-Altars“.

 

Unmittelbar links neben der Nische befindet sich der Treppenaufgang zur Empore. Bevor wir den Rundgang im Kirchenschiff fortsetzen, steigen wir die Treppe hinauf. In der Mittelachse der Südseite – die zur Aufnahme des schmalen Aufganges als flacher Spitzerker gestaltet wurde – befindet sich ein weiteres, kleineres Fenster.

Fenster 9: „Rosa Mystica“

(Emporenaufgang)

Die Darstellung zeigt:

Die Rose hat seit alters eine symbolische Bedeutung. Sie ist Bild der Ewigkeit, des Todes (als Übergang in das ewige Leben), des (Glaubens-)Geheimnisses, der Mutter Gottes und Christi selbst. Die Darstellung ist hier sehr stark vereinfacht und abstrahiert. Man kann sich bei diesem Symbol daran erinnern, dass die wesentlichen Inhalte einer jeden Religion – also auch unserer christlichen – eher in Bildern als in Begriffen erfasst werden können. Begriffe grenzen ein und legen fest, während Bilder und Symbole offen bleiben für die immer größere Wirklichkeit des heiligen und dreifaltigen Gottes.

Fenster 10: „Hl. Agatha“

(Empore links)

Die Darstellung zeigt:

Die hl. Agatha ist die zweite Pfarrpatronin neben dem hl. Georg als erstem Patron. Vor ihr erscheint daher die Silhouette der Widdiger Kirche, hinter der sie schützend ihrem Umhang aufspannt. Die dargestellten Personen sind Hinweis darauf, dass eine Pfarrgemeinde sich aus Menschen zusammenfügt und nicht eine abstrakte Organisation ist. Die Kleidung aus der gegenwärtigen Zeit soll darauf hinweisen, dass Gemeinde immer wieder neu realisiert werden muss. Über dem Kopf der hl. Agatha sind die Marterwerkzeuge dargestellt: zum einen die Zangen, mit denen (gemäß der Legende) ihre Brüste amputiert wurden und zum anderen das Rad als Henkerswerkzeug.

Fenster 11: „Hl. Cäcilia“

(Empore rechts)

Die Darstellung zeigt:

Die hl. Cäcilia als Patronin der Kirchenmusik und der Kirchenchöre. Das Fenster zeigt im unteren Teil eine Orgel, das eigentliche Instrument für den Gottesdienst. Darüber sind die Sänger des Chores dargestellt. Über ihnen erscheint Cäcilia im roten Mantel (Hinweis auf ihr Martyrium). Die Palme ist Zeichen des Martyriums, das Schwert deutet die Art ihrer Hinrichtung an.

 

Wir verlassen nun die Empore, gehen am Haupteingang vorbei und setzen den Rundgang entlang der Nordseite des Kirchenschiffs fort.

Fenster 12: „Hl. Elisabeth von Thüringen“

(Nordseite hinten)

Theologischer Inhalt:

„Selig die Barmherzigen, denn sie werden Erbarmen finden.“ (Mt 5, 7)

Zu dieser Seligpreisung braucht nicht viel gesagt zu werden. Kein Mensch kann leben, ohne dass er geliebt wird und selber lieben kann. Barmherzigkeit wendet sich dem Menschen in der Weise zu, dass dessen Bedürftigkeiten mit liebender Sorge gestillt werden. Die Biographie der hI. Elisabeth von Thüringen (* 1207, + 17.11.1231, vgl. auch die Legende vom Rosenwunder) zeigt, dass die Übung der Barmherzigkeit ein tief erfülltes Leben bringt, selbst wenn der barmherzig lebende von Schicksalsschlägen heimgesucht wird.

Die Darstellung zeigt:

Die hl. Elisabeth wird mit dem Brotkorb dargestellt, den sie zu den Notleidenden gebracht hat, und der dreifachen Krone. Diese dreifache Krone bedeutet: 1. die Krone der adeligen Herkunft, 2. die Krone als Symbol des Verzichts auf kaiserliche Würde (vgl. Christliche Ikonographie in Stichworten, S. 112) und 3. die Krone des ewigen Lebens, der Heiligkeit. Eine andere Deutung der drei Kronen gibt der berühmte Zisterzienserprior Caesarius von Heisterbach. Er spricht von der dreifachen Krone der Heiligkeit, nämlich der Jungfrau, Gattin und Witwe. Die Rosen im Bild erinnern an die bekannte Legende vom Rosenwunder. Im untersten Fensterfeld strecken sich zwei Hände der Heiligen entgegen. In ihnen kommt die Not der Menschen zum Ausdruck. Ihre freie Hand streckt Elisabeth dem Betrachter des Fensters entgegen. Es deutet auf das Angebot ihrer Hilfe hin, die sie so tatkräftig und ganz persönlich sogar bei ansteckend Kranken (in der damaligen Sprache: Aussätzigen) geleistet hat. Auch dieses Fenster beinhaltet wieder Pflanzen als Symbole des Lebens.

Fenster 13: „Hl. Theresia von Avila“

(Nordseite Mitte)

Theologischer Inhalt:

„Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen.“ (Mt 5, 8)

Mit dem Ausdruck „reines Herz“ in dieser Seligpreisung ist viel mehr als Keuschheit gemeint. Diese ist eigentlich nur eine Konsequenz der Reinheit. Das Gemeinte wird deutlich, wenn man den Gegensatz benennt: heuchlerische, falsche, hinterhältige Gesinnung. Nur ein Mensch ohne Winkelzüge, Intrigen, der mit dem „reinen Herzen“, der kann „Gott schauen“. Mit der „Anschauung Gottes“ ist in der Theologie der Himmel, das ewige Leben, die Gemeinschaft mit Gott gemeint. Der Mensch „reinen Herzens“ wird also die Gemeinschaft mit Gott erfahren. Diese Gotteserfahrung kann aber schon in dieser Welt beginnen. Die Bibel erzählt immer wieder von solchen Gottesbegegnungen, und auch Mystiker wie die hl. Theresia von Avila (* 28.03.1515, + 04.10.1582, Kirchenlehrerin) können davon berichten.

Die Darstellung zeigt:

In der Mitte des Bildes kniet Theresia. Die geschlossenen Augen weisen hin auf ihre unmittelbare Gottesschau, die ja im Innern des Herzens geschieht. Ihr Gebet ist beschützt von einem Engel (geflügeltes Wesen), der die Hände über ihrem Kopf ausbreitet. Dieser Engel steht unmittelbar in Verbindung mit dem Auge Gottes, das wieder in der Spitze des Fensters dargestellt ist. Die Engel zu ihren Seiten kann man deuten als Boten Gottes, die ihr das Wort Gottes überbringen und sie in die mystische Beschauung einführen. Das Fenster hat eine stark betonte Mittelachse, die vom Auge Gottes über den geflügelten Engel zum Kopf der hl. Theresia führt; von da aus wird diese Achse verlängert in einem Vogelkopf, auf den Flügeln dieses Vogels kniet Theresia. Die Achse wird sodann weitergeführt nach unten zu einer Figur, die man als Springbrunnen (lebendiges Wasser) deuten kann. Der Vogel ist sinnbildlich für die Kraft des Geistes, von der Theresia getragen wird. Der Brunnen des Wassers ist Symbol der Weisheit und des Lebens und der Tiefe der Abgründe Gottes. Nichts ist wohl schwerer für den Menschen, als ein „reines Herz“ im Sinne dieser Seligpreisung zu haben. Menschen versuchen immer wieder, sich durch krumme Wege Vorteile zu verschaffen; eine Versuchung, der wir allzu oft erliegen.

Fenster 14: „Hl. Niklaus von der Flue“

(Nordseite Mitte)

Theologischer Inhalt:

„Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden.“ (Mt 5, 9)

Das Wort „Frieden“, das Jesus in der Seligpreisung braucht, war in seiner Muttersprache von einer Bedeutungsfülle, für die wir in unserer Sprache kein entsprechendes Wort besitzen. Dort bedeutete es: Frieden, Gerechtigkeit, Genugtuung, Wohlergehen, Erbauung, Belohnung, Freundschaft, Glück, Freiheit, Erlösung, Ruhe, Eintracht, Ganzheit, Wohlbefinden, Gesundheit, Heil u. a. m.. Das alles bedeutet auch das Grußwort „Schalom“. Vom hl. Bruder Klaus (Niklaus von der Flue, * 1417, + 21.03.1487) wissen wir, dass er sich in seiner Schweizer Heimat um all dies gekümmert hat. In großer Selbstlosigkeit hat er den in einer Vision erhaltenen Auftrag angenommen. Ein besonderes Gedenken muss dabei auch seiner Frau Dorothe Wyss gelten, die ganz hinter seiner Aufgabe gestanden hat, dass sie zustimmte und seine Aufgaben auf dem Bauernhof des hl. Niklaus mit übernahm.

Die Darstellung zeigt:

Er ist dargestellt mit dem Stab des Eremiten (Einsiedlers) bzw. des Pilgers. Er schaut den Betrachter des Bildes mit großen Augen an. Dass er sich in die Einsamkeit des Waldes bei der Ranft zurückgezogen hat, ist durch die Bäume im Bild angedeutet. Hinter den Baumwipfeln erscheinen die z. T. schneebedeckten Gipfel der Schweizer Berge. Die Vögel in der Spitze des Fensters kann man vielleicht deuten als einen Hinweis darauf, dass er aus seiner Einsamkeit heraus mit großer Autorität auch in das politische Geschehen seiner Zeit Frieden stiftend eingegriffen hat. lm unteren Fensterfeld ist auch der Ehefrau des Heiligen ehrend gedacht; ob sie nicht auch hätte heilig gesprochen werden können?

Fenster 15: „Hl. Maximilian Maria Kolbe“

(Nordseite vorne)

Theologischer Inhalt:

„Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihnen gehört das Himmelreich.“ (Mt 5, 10)

Die achte Seligpreisung setzt die Situation der Verfolgung um Christi willen als etwas im Grunde Normales voraus. Wer eben nicht Frieden in sich hat, oder ihn nicht will, der wird zum Verfolger. Diese Verfolgung durchzustehen und sich in ihr zu bewähren, gehört zu den Verhaltensweisen, die in die Nähe Gottes führen. In seinem Sterben für einen Mithäftling – an dessen Stelle der hl. Maximilian Kolbe (* 07.01.1894, + 14.08.1941) im Konzentrationslager Auschwitz in den Hungerbunker ging – ist er dem für die Menschen gekreuzigten Jesus ganz ähnlich geworden.

Die Darstellung zeigt:

Das Bild zeigt Maximilian Kolbe als Halbfigur in der Kleidung eines KZ-Insassen. Hinter ihm ist ein vergittertes Fenster zu erkennen. Unter seinen Händen erscheint das Häftlingsabzeichen mit der Nummer, die jeder Gefangene eines KZ tragen musste. Das „P“ bedeutet Pole; das rote Dreieck war das Kennzeichen für einen politischen Häftling. Unter diesem Zeichen ist ein dunkles Feld, das sich als der sog. „Hungerbunker“ deuten lässt, der auf jeder Seite von je drei Nazi-Schergen bewacht wird. Über dem Heiligen ist die Mutter Gottes dargestellt, weil Kolbe ein glühender Marienverehrer gewesen ist. Die Art der Darstellung ist genommen aus der Apokalypse. Dort ist das Bild der Frau, bekleidet mit der Sonne und der Krone von 12 Sternen, gleichzeitig das Bild für die Kirche, die im hl. Maximilian Maria Kolbe verfolgt worden ist. Links oben im Fenster die Krone der Jungfräulichkeit (des Ordensmannes), rechts daneben die rote Krone des Martyriums. Die Blume ganz unten im Fenster kann erinnern an das Wort des Tertullian: „Sanguis martyrum, semen christianorum.“ (Das Blut der Märtyrer ist Samen für [neue] Christen.)

Vita Herb Schiffer

1936 | geboren in Jülich
1957-1958 | Studium der freien Malerei und Glasmalerei an den Kölner Werkschulen bei Professor Wilhelm Teuwen; Praktikum in der Glasmalerei Dr. H. Oidtmann in Linnich
1958-1959 | Studium an der Ecole Nationale Supérieure des Beaux-Arts, Paris; Studien im Zirkus Madrano; Landschaftsstudien in der Bretagne und in der Normandie
1960 | Rückkehr nach Köln
1960-1961 | Beendigung der Studien bei Professor O.H. Gerster (freie Malerei und Wandmalerei)
ab 1961 | Arbeit als freischaffender Maler, Wohnung und Atelier in Jülich, später in Barmen (bei Jülich);erste öffentliche Aufträge im sakralen Bereich
1963 | Stipendium des Kultusministers von NRW für einen sechsmonatigen Studienaufenthalt in Italien; Bildeinkäufe durch das Kultusministerium NRW
1974-2001 | Lehrtätigkeit am Berufskolleg für Gestaltung und Technik Aachen und an der Fachhochschule Aachen
1981-1989 | Studienaufenthalt in Brasilien mit Ausstellungen in Sao Paolo, Salvador-Bahia und Rio de Janeiro
seit 1990 | neues Atelier in Düren
1994 | Studienreise in die USA, Ausstellung in Atlanta
2000 | Reise in die USA, Ausstellung in New York
2005-2008 | Lehrauftrag an der Kunstakademie Bad Reichenhall
2008-2009 | Lehrauftrag an der Internationalen Kunstakademie Heimbach
2011 | Verleihung des Kunstpreises des Kreises Düren

Quellen

Pfarrgemeinde St. Georg: 60 Jahre Pfarrkirche St. Georg Widdig - Abriss ihrer Geschichte und kleiner Kirchenführer, Bornheim 1989.

Hannelore Sachs u.a.: Christliche Ikonographie in Stichworten, München 1975.

Alfons Rosenberg: Einführung in das Symbolverständnis. Ursymbole und ihre Wandlungen, Freiburg 1985.

Herb Schiffer: Internet-Homepage (www.herb-schiffer.de).

Text und Fotos: H.-G. Steinheuer